Finde den Fokus – setz dich am Lokus

Verzettel‘ dich nicht

Eines vorweg. Ich liebe Papier! Jeden Morgen freue ich mich darauf, mein Tagebuch aufzuschlagen und mit der Feder ein paar Seiten zu füllen. Das gehört zu meinem fixen Morgenritual. In den folgenden Zeilen geht es aber nicht um Zettel im herkömmlichen Sinn, sondern um deinen Fokus. Den kannst du sowohl online als auch offline im Auge behalten. Bevor du ihn aber im Auge behalten kannst, musst du den Fokus erst finden. Und ich möchte dir hier ein paar Anregungen für deine Suche geben.

„Ich möchte als SängerIn vorankommen“

Das ist es also was du willst? Wenn das dein Ziel ist, dann ist das alles und nichts zugleich. Was bedeutet für dich konkret voranzukommen? Heißt das für dich

  • dass du in deiner Gesangstechnik etwas ganz Spezielles erlernen möchtest? oder
  • dass du jede Woche 2 Konzerte singen möchtest? oder
  • dass du endlich vor 10.000 kreischenden Fans auftreten möchtest? oder
  • dass du nach dem Singen endlich nicht mehr heiser sein möchtest? oder oder oder….

Du siehst schon worauf ich hinaus will. Die Aussage „Ich möchte als Sängerin vorankommen“ beinhaltet für jeden etwas Anderes und ist nicht sehr griffig. Außerdem kannst du bei so einer Formulierung nie messen ob du „es“ schon geschafft hast. Wann bist du vorangekommen? Wie weißt du, dass du „es geschafft“ hast?

Mal dir es konkret aus. Was heißt „vorankommen“ für dich?

Was auch immer dir im Kopf herumgeistert. Setz dich hin und überlege dir ganz genau was dieser Satz für dich bedeutet. Nimm dir dafür Zeit. Wenn du daheim keine Ruhe dafür hast, dann setz dich irgendwo draußen in die Natur. Oder von mir aus auch auf’s Häusel, da kann man bekanntlich besonders gut loslassen und der Kopf wird frei. Hauptsache es stört dich keiner beim Fokus finden.

Mal dir deine Vision so detailliert wie möglich aus und überlege dir auch bis wann du dieses Ziel erreicht haben möchtest. Ideal wäre eine Vision für die nächsten 3 Jahre zu haben. Dabei tust du so, als wäre alles bereits Realität. Stell dir vor wie es sich anfühlt, wenn du es geschafft hast.

  • Wie ist dein Leben dann?
  • Was hat sich verändert?
  • Was ist gleichgeblieben?
  • Wo wirst du sein?
  • Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
  • Was sagt dein Bankkonto?
  • Was sagen deine Kollegen über dich?
  • Was sagt die Presse über dich?
  • Wie fühlst du dich?
  • usw.

Im Kopf geht’s rund? So viele Ideen? Dir fehlt der Fokus?

Nimm dir eines deiner Ziele heraus auf das du dich fokussierst. Es macht keinen Sinn, zu viel auf einmal zu wollen. Vor allem nicht, wenn du gerade anfängst dir einen Plan zu machen. Nimm dir das für dich Wichtigste her und schreib jetzt alle Ideen auf, die dir einfallen, um dieses Ziel zu erreichen.

Dazu kannst du dir ein MindMap machen, wenn dir das liegt (auf Papier oder mittels App. wie z.B SimpleMind) oder eine Liste. Je nachdem wie du dir Gedanken am besten veranschaulichst und strukturierst. Auch Trello eignet sich für diese Zwecke gut. (In einem älteren Artikel habe ich schon einmal zum Thema „Bring‘ Licht ins Kreative Chaos“ – Selbstorganisation mit Trello – geschrieben.)

Du hast jetzt eine Vision und auch schon Ideen, wie du dich dieser nähern kannst.

Es ist Zeit für den Kalender

Trag dir jetzt die einzelnen Schritte bzw. Aufgaben an bestimmten Tagen der Woche in den Kalender ein. Quasi eine Verabredung mit dir selbst. Und wenn es nur 10 Minuten am Tag sind. Fang klein an.

Ich weiß mittlerweile, dass die Euphorie anfangs groß ist und bremse mich daher bei den Zeiten, die ich mir dafür in den Kalender eintrage. Allerdings achte ich darauf, dass ich meine Aufgaben vor 10 Uhr eintrage und erledige. Da ist der Geist noch frisch, das Telefon in meinem Lieblingsmodus („Bitte nicht stören“) und ich bin bereits meinem Ziel näher bevor der Alltag so richtig losgeht.  Aber das ist nur mein Weg.

Wenn du dir z.B. 10 Minuten einträgst, dann stell dir vielleicht am Anfang einen Timer und hör in der ersten Woche wirklich nach diesen 10 Minuten auf. So freust du dich dann auch schon auf dein nächstes Date mit dir selbst.

Du erkennst übrigens immer gut ob du dein Ziel richtig definiert hast, wenn:

  • es Spaß macht, das Ziel zu erreichen
  • du dich dabei weiterentwickelst
  • es realistisch ist
  • es positiv formuliert ist
  • es einen bestimmten Zeitrahmen umfasst
  • es messbar ist

„Ich will besser singen“ ist kein Ziel. „Ich möchte bis Ende des Jahres Distortion gesund singen können.“ Dann kannst du das am Ende des Jahres gut überprüfen ob du diesen Effekt beim Singen erzeugen kannst und ob du danach endlich nicht mehr heiser bist. Dabei helfen dir übrigens CVT-Lehrer bestimmt gerne weiter und du kommst noch schneller ans Ziel als alleine.

Zu viele Aufgaben für zu wenig Tag?

Du willst mir jetzt sagen, dass dein Kalender so voll ist und du einfach keine Zeit aufbringen kannst? Gut. Dann hast du zwei Möglichkeiten. Entweder du verzichtest darauf deinem Ziel näher zu kommen und singst z.B. weiter bis du heiser bist und lebst damit. Oder du schaust, was du vielleicht aus deinem Tag streichen kannst. Dann ziehst du dir eben nicht jeden Tag 3 Netflix-Serien rein oder du putzt nicht jeden Tag das Häusl. Überleg dir, was du streichen kannst. Stattdessen kommst du deinem Ziel Stück für Stück näher. Glaub mir, das fühlt sich gut an.

Du könntest natürlich auch 30 Minuten früher aufstehen. Aber vielleicht bist du kein Morgenmensch und arbeitest lieber abends oder nachmittags an der Verwirklichung der Pläne. Vermutlich kommt es auch auf die damit verbundenen Tätigkeiten an. Wenn dein Ziel ein gesangliches ist, wie z.B. endlich laut singen zu können, dann freut sich deine Familie vielleicht nicht ganz so, wenn du sie mit Übungen in Edge (= voll bis reduziert metallischer Vocal Mode) aus dem Traum reißt. Damit will ich sagen, dass du dir am besten deine Schritte schon so einteilst, dass sie zu dir, deinem Rhythmus und deiner Persönlichkeit passen. So behältst du die Motivation. Jeden Tag ein paar Kleinigkeiten zu machen, bringt oft viel mehr als einmal in der Woche einen großen Brocken, der dir vorkommt wie das Hohe C (nicht der Saft).

Willst du es wirklich angehen? Oder ist es nur ein schöner Traum?

Vorausgesetzt, es ist wirklich ein Ziel, das du erreichen willst und nicht einfach nur ein Traum, den du gerne träumst. Denn auch letzteres ist legitim. Viele träumen davon „berühmt“ zu werden oder „es endlich zu schaffen“, aber sie haben sich bisher noch nie überlegt, was das konkret für sie bedeutet und mit welcher Hack’n das verbunden ist. Oder vielleicht haben sie sich eben vorher nie überlegt, was das alles in ihrem Leben verändern wird.

Ich selbst habe eine ganze Weile davon geträumt „von der Musik leben zu können“. Erst als ich mich ernsthaft gefragt habe, was ich damit eigentlich meine, ist mir klar geworden, dass es für mich nicht bedeutet, jede Nacht auf Biegen und Brechen in irgendeiner Tschumsen zu singen. Nicht, dass ich nicht gerne viel singe. Ganz im Gegenteil. Aber ich gehe zum Beispiel gerne früh schlafen. Und seit einer überstandenen Erkrankung 2017 achte ich auf ausreichend Schlaf. Nach 3 verplanten Abenden, muss ein Abend Pause her. Ich brauch also viel mehr Schlaf und viel mehr Zeit um Aufzutanken damit ich das tun kann, was ich wirklich gerne mache. Für mich heißt also „von der Musik leben“: zu singen und vor allem andere dabei zu unterstützen, ihre Stimme zu finden, weiterzuentwickeln und zu behalten. Das weiß ich aber erst seit einer ordentlich Fokus-Lokus-Sitzung mit mir selbst.

Wichtig ist nur, dass du für dich Klarheit schaffst.

Es ist wirklich sinnvoll, dir vorher Gedanken zu machen, den Fokus zu finden und dir dein Leben danach passend zu gestalten. Und selbst wenn dabei herauskommt, dass der Traum einfach ein solcher bleiben soll, ist das total ok. Dann weißt du, was du nicht willst. Und das ist auch viel wert.

Ist es dir aber wirklich ernst, dass du „es“ angehen möchtest, dann bringen dich deine kleinen Aufgaben im Kalender in Schwung und dich deinem Ziel näher. Und es soll dich bitte nicht beunruhigen. Meines Erachtens ist es mit dem Fokus finden so wie mit dem Schlüsselbund. Ab und zu glaubt man ihn verloren zu haben, dabei ist er irgendwo ganz unten in der Handtasche. Solltest du ihn also ab und an aus dem Augen verlieren, sei unbesorgt – du wirst deinen Fokus immer wieder finden.

Tanja Lipp
Inspiriere andere!