Vocal Coach: mein unkonventioneller Weg dahin (Teil 2)

Du hast also Teil 1 meines unkonventionellen Weges zum Vocal Coach gelesen und möchtest wissen, wie es weitergegangen ist? Das freut mich.

Vom Aufputz zum Singen

Schön ist anders. Aber so oft, wenn man von etwas keine Ahnung hat, aber es gerne tut, dann ist es pure Freude. Und im Grunde hat keiner von uns erwartet, dass wir singen zu können. Engagiert wurden die beiden Mädels und ich als „Aufputz“. „Groß (1,80m), dünn (63kg), kann tanzen – soll kommen“, so der „Musikdirektor“ damals. Von den 3 Weibsen hab ich als einzige das Mikrofon auch tatsächlich benutzt. Immer schön die Hauptstimme des Leadsängers mitplärren, so meine Devise. Mehrstimmiger Gesang war mir fremd. Nachdem in der Band jeder mit seinem eigenen Instrument mehr als gefordert war, kümmerte sich um den Chor auch niemand. Zum Glück mussten wir in der ersten Zeit auf der Bühne Alufolie am Kopf tragen. In From von Perücken. So blieben wir weitestgehend unerkannt.

Freiheit

Die Bandproben dauerten jeden Freitag bis in die Morgenstunden. Zuerst musizieren und dann ungeniert im Extrazimmer grölen. Hochprozentiges hat auch die Verklemmtesten singen lassen. Gut, dass es davon keine Aufnahmen gibt. Aber was mich betrifft – damals kam das erste Mal ein Gefühl von frei sein auf. Abgesehen von der Übelkeit und den Kopfschmerzen am darauffolgenden Samstag. Ich wollte mehr davon.

Das erste Solo doppelt

Ich wurde mit dem ersten Solo betraut. „Locomotion“. Und da wir es beim ersten Mal ordentlich verhunzt haben, spielten wir das Lied eben 2x. Wir hatten uns vorher einen gewissen Einstieg ausgemacht, bei dem ich einsetzen sollte. Mein Gefühl sagte mir, ich sollte jetzt beginnen, aber brav habe ich auf die vereinbarte Stelle gewartet. Auf die würde ich vermutlich heute noch warten. Sie kam nicht. Innerliche Panik – nach außen glich es vermutlich mehr einem Kabarett. Ratlose Gesichter. Rückwirkend amüsiert es mich, damals aber wäre ich gerne im Erdboden versunken.

Fortschritte mit einem Vocal Coach

So etwas sollte mir nicht nochmals passieren (ist es auch nicht!). Ich wollte lernen, besser werden und daher habe ich nach vielen Jahren meinen Job als Marketing Managerin an den Nagel gehängt. Zwar nicht gleich nach dem verpatzten Solo, aber bald. Es folgte eine Zeit mit Gesangsstunden bei einem Vocal Coach und Halbtagsjob. Dadurch haben ich mich weiterentwickelt und wurde besser. Aber vieles blieb mir trotzdem rätselhaft und keiner konnte meine Fragen zu meiner Zufriedenheit beantworten. Zumindest nicht so, dass ich es dauerhaft verstand. Zum Beispiel:

Ich: „Ich möchte gerne mehrstimmig singen lernen.“

Antwort: „ah. das musst einfach ausprobieren. Das ist schwer zu erklären. Das hat man oder man hat es nicht.“

Ich: „aha.“ Und denke mir: na super – hab ich wohl nicht.

So etwas gibt richtig Selbstvertrauen beim Lernen.

Bei manchen Liedern war ich gut bei Stimme. Es klang kraftvoll, aber sobald es höher wurde, klang die Stimme dünn und es fühlte sich an als würde mich jemand strangulieren. Dank CVT weiß ich heute auch warum das so war.

Die erste Band mit 40 Jahren

Lange schon träumte ich von einer Band, bei der ich das Repertoire aussuchen kann. „Tu es einfach“, sagte meine Freundin K zu mir als ich wieder einmal davon geschwärmt habe, aber zum x-ten mal alle Gegenargumente gleich selbst lieferte. Ihr kleiner verbaler Tritt in den Allerwertesten war erfolgreich. Und tatsächlich, an meinem 40. Geburtstag war der erste Auftritt mit „Jump The Curb“ bereits in Planung. Endlich konnte ich mir Songs in meiner Tonlage aussuchen. („in C-major for a change“ – wie unser Mr. Groover am Bass es oft liebevoll kommentierte). Es fühlte sich großartig an und tut es noch. 2020 feiern wir unser 10-jähriges Jubiläum.

Tanja Lipp - Vocal Coach - Band Jump The Curb - Foto:Sunla Mahn

Aber kaum war ich mit Musikern zusammen, die mit unseren Arrangements nicht vertraut waren, war die Unsicherheit wieder da. Welche Tonart? Welcher Groove? Welche Lieder sind Session tauglich – welche nicht? Es war immer wieder als würde ich eine Sprache nicht sprechen.

Complete Vocal Technique

Nach einem Urlaub in Dänemark, bei dem ich auch die pulsierende Musikszene dort erlebt habe, war ich fest entschlossen, alle Unsicherheiten auszumerzen und eine fundierte Ausbildung nachzuholen. Am besten ein Studium. Schmecks. Zu alt. Höchstalter 26 Jahre. Ich kann stur sein, wenn ich mir etwas einbilde. Also suchte ich weiter und erinnerte mich, dass mir jemand einmal von der Complete Vocal Technique (CVT) erzählt hat. Tagelang, wochenlang habe ich recherchiert und mir vorgestellt, ich könnte dort meine Ausbildung machen. Irgendwann habe ich mir selbst dabei zugesehen, wie ich einfach Referenzaufnahme hochgeladen habe, meinen Lebenslauf ausgefüllt und die Bewerbung einfach abgeschickt habe. Ohne mir zu überlegen, was ich tue, wenn sie mich nehmen. Ups.

Das passende Werkzeugkisterl zum Singen lernen

In den 5 Jahren am Complete Vocal Institute hatte ich multiple Aha-Erlebnisse. Bei CVT hat jeder Begriff eine Definition, nichts ist unerklärlich und weil von der Anatomie ausgegangen wird, weiß ich auch warum es sich damals angefühlt hat, als würde mich jemand strangulieren. Das sind einfach Muskeln, die auf unsere Stimmbänder aufpassen, wenn man die Technik nicht korrekt anwendet.

Und bitte wieso konnte mir das sonst nie jemand so erklären? Jedenfalls für mich ist das genau das was ich gebraucht hatte. Um zu verstehen. CVT ist wirklich wie ein Werkzeugkasten. Möchtest du besonders laut singen, dann gilt es andere Regeln zu befolgen als wenn du jemandem ein zärtliches Liedchen ins Ohr hauchen möchtest. Und jedesmal nimmst du dir aus dem Werkzeugkisterl das raus, was du brauchst. Nicht mehr und nicht weniger.

„Tanja, you would be a good teacher“ – Ich als Vocal Coach?

Zuerst hatte ich nur den Plan auf Entdeckungsreise für meine stimmliche Weiterentwicklung zu gehen. Ganz nebenbei hat aber einmal einer der CVT-Lehrer in Kopenhagen am Gang im Vorbeigehen aus dem Nichts zu mir gesagt: „Tanja, you would be a good teacher.“ Darüber hatte ich vorher nie nachgedacht. Ich? Ohne Universitätsabschluss? Aber der Gedanke ließ mich nicht los und mein Herz hat wie wild zu hüpfen begonnen, als ich daran dachte die Ausbildung zum Authorized CVT Teacher zu machen (die ich im Juni 2020 abgeschlossen habe). Genauso hüpft es übrigens jetzt jedes Mal vor Freude, wenn andere Sängerinnen diese Aha-Erlebnisse haben, weil CVT eben sofort wirkt.

Mein Antrieb als Vocal Coach zu unterrichten? Weil es mich anzipft

Vielleicht fragst du dich, was mich antreibt zu unterrichten. Ich könnte mich ja genauso gut einfach nur darüber freuen, für mich endlich die passende Gesangstechnik gefunden zu haben. Gerne verrate ich es dir.

Es zipft mich an, dass andere die Nase rümpfen, wenn sie hören, dass jemand im Erwachsenenalter noch singen lernen will. Ich möchte nicht, dass du dich unsicher fühlst, wenn du mit Musikern bei einer Session singen möchtest. Es soll nicht sein, dass du an dir zweifelst, weil du auf „die Anderen“ hörst und daher gar nicht damit beginnst deinen Traum zu verwirklichen. Daher möchte ich dich ermutigen, es doch zu tun. Probiere es aus. Ich werde dich mit vollem Herzen unterstützen. Das verspreche ich dir.

Danksagung

Ein großes Dankeschön an Catherine Sadolin für die unermüdliche Forschung, die uns so schnell hörbare Ergebnisse bringt. Das macht uns allen das Singen leichter. Und als Vocal Coach lässt es sich mit der – von ihr erfundenen – Complete Vocal Technique wunderbar leben. Damit kann ich dir dabei helfen, deine Wünsche in Realität umzusetzen und jeden Klang auf gesunde Weise zu erzeugen.

Womit kämpfst du am meisten? Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Erzähl es mir unten in den Kommentaren oder gerne persönlich. Ich freue mich darauf.

Solltest du Teil 1 nicht gelesen haben, kannst du das gerne hier nachholen. 

Tanja Lipp
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