Ich mag meine Stimme nicht!

Wie ich es geschafft habe, mich an meine eigene Stimme zu gewöhnen und wie du das auch kannst

Ich mag meine Stimme nicht.

Meine Stimme klingt ganz schrecklich.

Wenn ich mich selbst höre, zieht sich in mir alles zusammen.

Sagst du das oder Ähnliches auch immer wieder? Eigentlich singst du gerne, aber du hast Angst, dass dich dabei jemand hören oder vielleicht sogar lachen könnte?

Ich kann ein Lied davon singen

Vielleicht beruhigt es dich, wenn ich dir sage, dass es mir genauso ergangen ist. Schon als kleines Mädchen habe ich gerne gesungen. Mein Papa und ich haben bei Filmen aus den 50er-Jahren inbrünstig mitgesungen. (Ich wollte immer Caterina Valente sein!) Angeblich bin ich meinen Eltern in den Ohren gelegen, weil ich „Sängerknäbin“ werden wollte. Es schien mir logisch, dass es – wenn es Sängerknaben gibt – auch Sängerknäbinnen existieren müssen.

Daraus wurde nichts. Überhaupt hat es länger gedauert, bis ich zu singen begonnen habe. Aber das ist eine andere Geschichte. (Der Weg war so lang, dass ich zwei Blogartikel dafür gebraucht habe, um ihn verkürzt niederzuschreiben. Du kannst Teil 1 gerne hier nachlesen.)

„Ich möchte gerne Sängerknäbin werden!“

Unbefangen und mit kindlicher Freude hab ich gesungen und gesungen und gesungen. Ob ich meine Stimme mag oder nicht, darüber hab ich keine Sekunde nachgedacht. Warum auch?

Die ersten Dämpfer

Eh schön, aber geht das bitte a bisserl leiser?

Den obigen Satz haben wir alle schon einmal gehört und wahrscheinlich selbst gesagt. Die Lautstärke hatte ich nicht ganz im Griff. Das hat meine geduldigen Eltern auch ab und zu genervt. Irgendwann war ich dann nicht mehr so laut. Ganz automatisch. Ich habe begonnen, mich selbst an Lautstärke zu beschneiden.

Nicht falsch verstehen. Ich mache meinen Eltern keineswegs Vorwürfe. Bewahre! Ich erwähne das, weil das in unserer Kultur einfach oft genauso ist oder zumindest in den 1970ern war. Brave Kinder sind leise. Heute nerven mich laute Menschen und Geräusche auch oft. Also: alles gut. Ich erzähle nur.

Tanja halt jetzt endlich den Schlapfen!

Das zieht sich von der Volksschule über das Gymnasium bis hin zur Handelsakademie. In unterschiedlicher Wortwahl. Meine Stimme war den Lehrern zu viel. Ständig singen oder tratschen. So etwas wie: „Ich kann deine Fistelstimme nicht mehr hören“, war auf der Tagesordnung.

Ich könnte dir hier noch von vielen Situationen erzählen, die das Vertrauen in meine Stimme sinken haben lassen. Worauf ich hinaus will, ist, dass es sein kann, dass du auch Erlebnisse gehabt hast, die dazu geführt haben, dass du deine Stimme heute nicht magst.

Auch du wirst auf deinem Weg einprägsame Erlebnisse gehabt haben. Und du hast damit vielleicht ebenfalls begonnen, dich stimmlich zurückzunehmen. Was wir nicht oft tun, können wir nicht so gut. Bei Frauen ist es oft noch die Lautstärke, die Schwierigkeiten macht. Wer immer ständig lieb und nett säuselt, tut sich meist schwerer, ordentlich mit der Stimme Gas zu geben.

Ich höre meine Stimme zum ersten Mal auf Band

Vokabeln hab ich am besten gelernt, wenn ich sie auf „Kassette“ aufgenommen habe und mir dann immer wieder angehört habe. Und beim Abspielen bin ich jedes Mal zusammengezuckt, wenn ich mich gehört habe. Schrecklich. Ich klinge fürchterlich, ich mag meine Stimme absolut nicht.

Sie will Sängerin werden? Mit der Stimme?

Als es viele Jahre später bei mir soweit war, dass ich in einer Band gesungen habe, wollte ich sofort alles hinschmeißen und nur noch singen. Damals war ich 30. Eine enge Freundin meiner Mama hat damals gesagt: „Was? Tanja will Sängerin werden? Mit DER Stimme?“.

Du kannst dir bestimmt vorstellen, wie gut das für mein Selbstvertrauen war.

300 Menschen, ein Satz ins Mikro: Panik!

Damals habe ich noch in einem großen Wirtschaftstreuhandunternehmen gearbeitet und unter anderem Kongresse und Seminare organisiert. Die Raumaufteilung hatte sich kurzfristig geändert und ich musste den Teilnehmern Bescheid sagen. Ich hab mir fast in die Hosen gemacht! Als ich das Mikro in die Hand genommen habe, hat das Herz zu rasen begonnen. Und ich wusste, dass jetzt alle gleich meine schreckliche Stimme hören werden. In voller Lautstärke. Knie schlotternd hab ich es geschafft zu sagen, was zu sagen war und daraufhin fluchtartig den Saal verlassen. Es könnte schließlich jemand lachen oder blöde Bemerkungen machen.

Natürlich hat niemand im Saal gelacht. Alle waren dankbar, dass ich ihnen gesagt habe, in welchen Raum sie ihren Allerwertesten schieben sollen. Aber so wollte ich mich nie wieder fühlen.

Mitglied in SingSalons Frauenzimmer werden! Endlich ohne Motivationslöcher singen lernen!

Was habe ich also getan, um mich an meine Stimme zu gewöhnen?

Was ich angestellt habe, um mich mit meiner Stimme auszusöhnen, ist kein Hexenwerk. Das kannst du auch ganz leicht tun.

Vorab sollst du eines wissen:

Niemand hört dich so, wie du dich selbst hörst

Niemand anders sonst hört dich so. Du hörst dich sowohl von außen (der Schall, der von den Stimmlippen über die Luft zu den Ohren gelangt), als auch von innen (der Schall, der über die Schädelknochen zu den Ohren geleitet wird). Das merkst du, wenn du dir die Ohren zuhältst. Dann hörst du dich nur mehr von innen. Das kann außer dir niemand hören.

Wenn du also vor anderen sprichst oder singst, dann hörst du niemals dasselbe wie deine Zuhörer.

Aufnehmen, Aufnehmen, Aufnehmen

Du musst dich also von dem Gedanken verabschieden, jemals so zu klingen, wie du dich selbst hörst. Konzentriere dich darauf, wie dich die anderen hören können. Das schaffst du am besten, indem du deine Stimme immer und immer wieder aufnimmst.

Mittlerweile brauchst du auch keinen Kassetten-Rekorder dafür, so wie ich in meiner Schulzeit, sondern du suchst dir die passende App dazu. (Ein paar Anregungen zu Apps findest du in „Zu Hause singen lernen – geht das?“ oder in „Singen lernen mit App? Geht das überhaupt?“)

Sei geduldig mit dir und deiner Stimme. Es dauert eine Zeit, bis du dich daran gewöhnst. Aber je öfter du dich hörst, umso weniger komisch wird es für dich sein. Du lernst dich dadurch kennen und lernst gleichzeitig, wie du in unterschiedlichen Situationen klingst.

Wenn ich zum Beispiel freudig erregt, schnell spreche, dann „schnatter“ ich nach wie vor. Erst letztens haben wir bei einer Bandprobe das Video mitlaufen lassen. Beim Nachhören, hab ich mich ertappt, dass ich gesagt hab: „Mah mein Geschnatter. Unerträglich eigentlich.“ Aber ich habe mich schnell wieder beruhigt. In Wahrheit kratzt das eh niemanden außer mir. Du siehst also, ich falle auch manchmal zurück in alte Muster.

Vor anderen sprechen

Nimm jede Gelegenheit wahr, um vor anderen zu sprechen. Und wenn dir davor noch so sehr graut. Mach es! Du lernst immer dann, wenn du deine Komfort-Zone verlässt. Das kann manchmal angsteinflößend sein, aber es lohnt sich. Aufregung gehört einfach dazu.

Je öfter du also vor anderen sprichst, umso sicherer wirst du. Und wahrscheinlich wirst du schon beim ersten Mal feststellen, dass niemand über dich lacht. Sollte dir einmal ein Hoppala passieren, dann lach am besten selber. Das macht dich menschlich und deine Zuhörer werden mit dir lachen, aber nicht über dich.

Unterricht nehmen

Je mehr du über deine Stimme weißt und über die Möglichkeiten, die du mit ihr hast, umso wendiger bist du. Mir hat da der Gesangsunterricht mit der Complete Vocal Technique unglaublich weitergeholfen. Auch hier ist das Aufnehmen deiner Stimme hilfreich. Aber zusätzlich kannst du lernen, den Klang deiner Stimme bewusst zu verändern. Das kann in manchen Situationen hilfreich sein.

Zum Beispiel, wenn du dich mit deiner Stimme in einem lauten Umfeld durchsetzen möchtest. Oder vor einem Vortrag. Und natürlich beim Singen. Du wirst für unterschiedliche Lieder deine Stimme vielleicht anders färben wollen oder den Charakter deines Klanges verändern wollen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Und wenn du weißt, was und vor allem, wie du das tun kannst, stärkt das auch wieder die Beziehung zu deiner Stimme.

Hutsch deine Stimme

Deine Stimme ist so einzigartig wie du. „Hutsch sie“, wie man in Wien sagt. Soll heißen: pflege sie und sei lieb zu ihr.

Sorge dafür, dass du sie ohne unkontrollierte Verspannungen benutzen kannst und sie wird es dir mit stabilen Tönen in allen Varianten danken.

Hast du andere Tricks, um dich an deine Stimme zu gewöhnen? Magst du deine Stimme? Lass mir gerne einen Kommentar da.

Tanja Lipp
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